Von TikTok auf die Straße
Aktuell sprießen ständig neue (Schein-)Organisationen von und für jugendliche Neonazis aus dem Boden, die zunächst vor allem im Internet, auf Instagram und TikTok auftreten. Sie bespielen insbesondere den digitalen Raum, nutzen aber auch klassische Aktionsformen wie Demonstrationen und Kundgebungen, um ihre Ideologie sichtbar zu machen.
Häufig handelt es sich bei den Akteur:innen, allein schon aufgrund ihres Alters, nicht um ideologisch gefestigte Neonazis. Vielmehr verkörpern sie einen extrem rechten Lifestyle. Der Hass auf queeres Leben und Linke eint diese Jugendlichen.
Mobilisierung gegen den CSD
Im Jahr 2024 gab es eine Reihe von Mobilisierungen gegen Christopher-Street-Day-Veranstaltungen (CSD) in ganz Deutschland. Auch in Mecklenburg-Vorpommern riefen insbesondere jugendliche Neonazis dazu auf, den ersten CSD in Wismar im September zu stören. Verschiedene Strukturen teilten diese Aufrufe und versammelten sich zu einer Kundgebung gegen den CSD unter dem Motto “LGBTQ & raus bist du”.


Mecklenburgs Jugend voran
Das Geflecht dieser Strukturen und Einzelpersonen ist gleichermaßen öffentlich und undurchsichtig. Viele der Mitglieder treten sehr offen mit ihren Klarnamen auf und teilen ihr Leben auf öffentlichen Social Media Profilen. Ständig erscheinen neue Profile, welche suggerieren hinter ihnen stünde eine Gruppierung.
Die Verbindungen der Personen untereinander und zu anderen Organisationen sind teilweise schwer zu greifen. Es gibt Anhaltspunkte für Überschneidungen mit bestehenden Organisationen der extremen Rechten wie beispielsweise der Heimat, der Neuen Stärke, aber auch dem Dritten Weg und der AfD. Ideologisch sind die meisten Personen noch nicht gefestigt, sie können sich aber auf einige Feindbilder und menschenverachtende Grundannahmen verständigen.
In Mecklenburg-Vorpommern ist die sogenannte Gruppe Mecklenburgs Jugend voran (MJV) sehr präsent. Die MJV versucht vor allem queere und linke Veranstaltungen zu stören, organisiert aber auch eigene Versammlungen. Anfang März wurde zudem bekannt, dass sie Kontakte zum Dritten Weg Stützpunkt Nord/ Ost knüpfen.


Innerhalb dieser Struktur nimmt der 18-jährige Felix Goritzka eine hervorgehobene Position ein. Im Internet präsentiert er sich als ein Anführer der MJV und auch auf Demonstrationen übernimmt er Aufgaben, die auf eine leitende Position hinweisen - etwa die Kommunikation. Goritzka wohnt in Greifswald und hat bis zu seiner Kündigung Anfang diesen Jahres bei der Diakonie als Pflegehelfer gearbeitet. Gleichzeitig ist er bereits mehrfach durch die Anwendung körperlicher Gewalt aufgefallen.
Gemeinsam mit anderen MJV-Mitgliedern hat er außerdem Wahlkampfstände der SPD und der Linken gestört. Der Stand der SPD wurde sowohl verbal als auch durch das Werfen von Eiern angegriffen und durch Hitlergrüße die rechte Gesinnung klar zum Ausdruck gebracht. Der Stand der Linken wurde mit einer Personengruppe aus dem Umfeld der Greifswalder MJV im Rücken versucht einzuschüchtern. Auf Instagram fiel er in den letzten Monaten auch durch die Bedrohung von lokalen Journalist:innen auf, im Stadtbild wiederum durch Sticker und Sachbeschädigungen - unter anderem an Wahlplakaten.


Auch das MJV-Mitglied Antony Jano Alexander Stumpf aus Wismar sucht gewalttätige Auseinandersetzungen, zumindest, wenn die Kräfteverhältnisse stimmen. Er war beteiligt, als mehrere Neonazis im Nachgang einer Demonstration am 19.10.2024 in einer S-Bahn einen Linken angriffen. Mehrere schlugen und traten gemeinsam auf den Betroffenen ein, während der Rest Fahrgäste am Eingreifen hinderte. Auf den Videos einer Überwachungskamera ist auch Antony zu sehen.

Der MJV sind aktuell 15-20 Personen zuzuordnen. Besonders aktiv sind “Tim"*, Antony Jano Alexander Stumpf, Cornell Zürner, “Eddie”, Erik Kasch, “Yale”, “Timsko” und Celine Orlowski. Der Grevesmühlener Cornell Zürner pflegt enge Verbindungen zur Neuen Stärke. Er trat bereits als Redner auf Kundgebungen der Partei auf. Die anderen genannten Personen sind vor der Gründung der MJV im Gegensatz zu Zürner deutlich weniger bis nicht im Kontext rechter Strukturen aufgefallen.



Anknüpfungspunkte für den Dritten Weg
Das gewaltbereite Auftreten der MJV und ihre Organisierung bieten Anknüpfungspunkte für etablierte Neonazistrukturen, die versuchen Nachwuchs zu rekrutieren. Organisierte, erfahrenere Neonazis können Einfluss auf die Ideologie der jungen Neonazis nehmen und sie für ihre eigenen Strukturen gewinnen. Dieses Potential hat der Dritte Weg Stützpunkt Nord/ Ost erkannt und angefangen Kontakt zur MJV zu suchen. Im März 2025 haben sie begonnen gemeinsame Aktionen unter dem Label der Partei durchzuführen. Sie haben Flyer in Greifswald verteilt und zusammen Kampfsport trainiert.

Die Einbindung in solche Strukturen würde weitere Organisations- und Vernetzungsmöglichkeiten für die MJV bieten. Auch für den Dritten Weg offenbart eine Kooperation Chancen, da sie sich mithilfe der MJV vor allem die Region Greifswald erschließen könnten. Dennoch gilt es abzuwarten, ob die MJV fest in den Stützpunkt Nord/ Ost der Partei integriert wird.