Im Herbst 2024 wurde der Willenskraft e.V. in Rostock gegründet. Der soziale Träger bietet Hilfe “für Straffällige und Menschen in schwierigen Lebenssituationen” im Auftrag der Hansestadt an. Für die Vereinsarbeit wurden Büroräumlichkeiten in der Georg-Büchner-Straße 5 angemietet.1 Dahinter steckt unter anderem der 29-jährige Ivo Studzinski, der in der Vergangenheit immer wieder durch seine Nähe zur extremen Rechten aufgefallen ist. Finanziert wird der Verein von öffentlichen Geldern der Stadt Rostock.

Rechte Freundeskreise unterstützen neuen Verein

Am 29.11.2024 trat der Willenskraft e.V. erstmals mit einem Tag der offenen Tür in den eigenen Räumlichkeiten in Erscheinung. Nach eigenen Angaben nahmen an dieser Veranstaltung “über 70 Besucher [und] 130 Jahre Gefängnis” teil. Diese Formulierung legt nahe, dass bereits erste Klienten auf den Verein aufmerksam geworden sind.

Im Januar 2025 rief der Verein zum gemeinsamen Anbaden in Warnemünde auf. Dem Aufruf folgten unter anderem Jamie Jürgens, Falko Schubert und Marcel Prätorius. Jamie Jürgens und Falko Schubert sind Akteure aus dem Umfeld der Hooligan-Gruppierung Nordische Wut. Marcel Prätorius kann auf eine lange Karriere in der militanten Rostocker Neonazi-Szene zurückblicken. Aufgrund rassistischer Aussagen wurde der Kampftaucher aus der Bundeswehr entlassen. Als bekannt wurde, dass die Stadt Rostock ihn angestellt hatte, obwohl sein Wirken in der rechten Szene schon lange öffentlich bekannt war, verlor er seine Anstellung als Abteilungsleiter im Gesundheitsamt wieder.2

Willensstärke e.V. beim Eisbaden in Warnemünde. Mit dabei die extrem Rechten Marcel Prätorius (1. v.l.), Ivo Studzinski (3. v.l.), Jamie Jürgens (4. v.l.h.) und Falko Schubert (2. v.r.). Quelle: Screenshot.

Studzinski zwischen Hooligans und Neonazis

Die anwesenden Personen stehen exemplarisch für Studzinskis Umfeld, das sich seit Jahren aus gewaltbereitem Hooligan-Klientel und Neonazis zusammensetzt. Doch auch Studzinski selbst hat sich in der Vergangenheit an rechten, extrem rechten und verschwörungsideologischen Events beteiligt. In seiner Jugend noch als Fußball-Nachwuchstalent beim FC Hansa Rostock gehandelt, kam er auf die schiefe Bahn und vertrat den Verein nur noch im Umfeld der rechten Hooligan-Gruppe Nordische Wut.

Im Jahr 2018 nahm er mit anderen rechten Hooligans an regelmäßig stattfindenden AfD-Demonstrationen in Rostock teil. Einige seiner Mitstreiter, namentlich Falko Schubert, Jamie Jürgens und Marcel Prätorius versuchten am Rande einer AfD-Demonstration in Rostock am 14.05.2018 einen Journalisten anzugreifen.3 Alle drei scheinen auch heute noch zum engeren Umfeld Studzinskis zu gehören, da sie der Einladung zum Eisbaden gefolgt sind.

Angriff auf einen Journalisten am Rande einer AfD-Demonstration am 14.05.2018. Hier zu sehen Falko Schubert (3. v.r.). Quelle: Bildwerk Rostock.

Verbindungen zu aktiven Nazi Strukturen

Besonders relevant ist seine Verbindung zu der kameradschaftsähnlichen und mittlerweile verbotenen Struktur Aktionsblog, die vor allem in Mecklenburg aktiv war. Die Führungsfiguren vom Aktionsblog, David Mallow und Guido Howald, haben sich mittlerweile eine neue politische Heimat mit dem Parteiableger Dritter Weg Nord/Ost geschaffen.4

Im Juni 2018 besuchte Studzinski gemeinsam mit Falko Schubert und Georg Helm das neonazistische Kampfsportevent Tiwaz in Grünhain (Sachsen), bei dem David Mallow als Kämpfer antrat.5 Passend dazu trägt Studzinski mitten auf der Brust eine Tiwaz-Rune. Die Rune ist sehr beliebt bei Neonazis, da sie als Zeichen der SS-Freiwilligendivision und der Hitlerjugend verwendet wurde. Sie gilt als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, weshalb die Verwendung des Zeichens verboten ist.

Ivo Studzinski (1. v.l.) und Falko Schubert (3. v.l.) beim Neonazi-Kampfsportevent "Tiwaz" in Sachsen im Juni 2018. Quelle: Pixelarchiv.
David Mallow (1. v.r.) tritt beim gleichen Event als Kämpfer an. Quelle: Pixelarchiv.

Proteste gegen Corona-Maßnahmen

Studzinski nahm während der Corona-Pandemie an Protesten gegen die Infektionsschutzmaßnahmen teil. Im Herbst und Winter 2021/22 demonstrierte er mehrfach mit einschlägig bekannten Nazis wie Marcel Prätorius und Guido Howald in der Rostocker Innenstadt. Zeitweise wurden diese Demonstrationen in Rostock von Neonazis der Identitären Bewegung und aus dem völkischen Milieu angeführt.

Ivo Studzinski bei einer Demo am 17.01.2022 in Rostock. Quelle: Pixelarchiv.

Im Zusammenhang mit diesen verschwörungsideologischen Protesten kam es vor allem im Winter zu Ausschreitungen und Gewalt gegen Polizist*innen. Auch Pressevertreter*innen stellten ein klares Feindbild der Demonstrant*innen dar und waren Anfeindungen sowie Übergriffen ausgesetzt.6

Seit den Protesten im Winter 2021/22 ist Ivo Studzinski nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten. Dennoch legt ein Blick auf sein Telegram-Profil nahe, dass er ideologisch nach wie vor gefestigt ist. So postete er mehrfach Grafiken des extrem rechten Calligraffiti-Künstlers Wolf PMS. Dieser illustriert unter anderem für die beiden extrem rechten Verläge Antaios-Verlag und Jungeuropa-Verlag aus Dresden.7

Screenshot von Ivo Studzinskis Telegram-Profil.
Kunstwerke des extrem rechten Wolf PMS auf Studzinskis Telegram-Profil.

Rechte Akteure in Hilfestrukturen, gefördert durch die Stadt

Die Arbeit mit Straffälligen stellt einen höchst sensiblen Bereich der Sozialen Arbeit dar. Straffällige, die sich an Hilfsstrukturen wenden, sollen auf ihrem Weg in die Resozialisierung gestärkt und unterstützt werden. Mit Ivo Studzinski, einem seit Jahren in der extrem rechten Szene vernetzten Akteur, gelangen vulnerable Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind in die Hände rechter Propaganda. Erste Aktionen des Vereins zeigen, in was für einem extrem rechten Umfeld sich Ivo Studzinski noch immer bewegt. Hintergründe zu Studzinskis rechten ideologischen Ansichten waren der Hansestadt bereits bekannt, als der Verein den Auftrag der Stadtverwaltung angenommen hat. Dass öffentliche Gelder somit ungeprüft in die Hände von Neonazis gelangen ist kein Versehen.

Die Soziale Arbeit verfolgt das übergeordnete Ziel eines sozialen Wandels im Sinne der Menschenrechte. Dem entgegen steht die Gesinnung von Ivo Studzinski und seinem Umfeld. Ein einschlägig bekannter Neonazi mit Kontakten in das extrem rechte gewaltbereite Hooliganmilieu ist nicht geeignet, um straffälligen Menschen adäquat zu helfen. Ein Wandel im Sinne der Menschenrechte scheint in diesem Fall abwegig. Eher scheint es einen Selbstzweck zu erfüllen, wenn anderen, möglicherweise ebenfalls extrem Rechten, Hilfe angeboten wird. Darüber hinaus gefährdet es andere Menschen, die zuvor nicht mit extrem rechter Ideologie in Berührung gekommen sind.

  1. Instagram Auftritt Willenskraft e.V.

  2. Katapult MV: Neonazi bald mit Führungsverantwortung?

  3. exif-recherche: Angriff auf Pressevertret am Rande von AfD Demonstration, Bildwerk Rostock: Protest gegen Afd Aufmarsch Rostock-Evershagen Mai 2018

  4. oben-rechts.org: Dritter Weg als Nachfolgeorganisation des Aktionsblogs

  5. Pixelarchiv: Neonazi Kampfsportturnier “Tiwaz”, Runter von der Matte: Das extrem rechte Kampfsportturnier „Tiwaz – Kampf der freien Männer“, Naziwatch Rostock: Kontinuierliche Teilnahme von Rostocker Neonazis bei Kampfsportveranstaltungen

  6. Bild: Ausschreitungen bei Corona-Demo in Rostock, RND: Erneut bundesweite Proteste gegen Corona-Beschränkungen - Ausschreitungen in Rostock

  7. Linksunten: Ist Ralph Oertel ‘Wolf PMS’?